2) Aufschwung, Nachhaltigkeit, Wachstum im Zeitalter von Digitali- sierung, Globalisierung und Klimawandel: Wie gelingt es, den Auf- schwung nach der Pandemie nachhaltig und inklusiv zu bewerkstel- ligen? Welche Maßnahmen erfordert der Klimawandel? Sind wir auf dem richtigen Weg und haben wir die Herausforderungen der Digitali- sierung und Globalisierung unter Kontrolle? Wichtige Stimmen dazu: Johan Kieft, Lead Technical Advisor und Leiter des Sekretariats der UN-Umweltprogramme; Peter Handley, Referatsleiter Industrie und Rohstoffe der Euro- päischen Kommission; John Baffes, Senior Economist der Weltbank; Dr. KN Raghavan, Vorsit- zender und Executive Director, Rubber Board Indien; Dr. Lekshmi Nair, Leiterin der Abteilung Wirtschaft und Statistik, IRSG; Rajiv Budhraja, Generaldirektor des Verbandes der indischen Automobilreifenhersteller; Lihui Sun, Direktor Chinesische Handelskammer für Metalle, Mi- neralien und Chemikalien; Dr. Widyantoko Sumarlin, stellvertretender Vorsitzender des indo- nesischen Kautschukverbands; Rubi Lambert, Manager für Nachhaltigkeitsstandards, UNCTAD, Vereinte Nationen; Farah Miller, CEO Helixtap Technologies; Stefano Savi, Direktor GPSNR; Dr. Robert Nasi, Generaldirektor Center for International Forestry Research, CIFOR; Dr. Frederic Gay, Wissenschaftler im Zentrum für Agrarforschung und internationale Zusammenarbeit, CIRAD; Fazilet Cinaralp, Generalsekretärin des Verbands Europäische Reifen- und Gummihersteller, ETRMA; Mary Xu, Vorsitzende des Verbands der chinesischen Kautschukindustrie, CRIA; Anne Forristall Luke, CEO Amerikanischer Verband der Reifen- und Kautschukindustrie, USTMA; Sal- vatore Pinizzotto, Generalsekretär IRSG Auf der Basis von Inklusion und nachhaltigem Wachstum den Blick in die Zu- kunft zu richten, stand im Mittelpunkt des virtuellen WRS 2021. Die Welt erlebt zu Beginn dieses Jahrzehnts tragische Verluste an Menschenleben und eine der schlimmsten Wirtschaftskrisen der Geschichte. Jahrzehntelange Fortschritte bei der Armutsbekämpfung werden zurückgeworfen, die Schwächen der wirtschaft- lichen und sozialen Systeme in vielen Ländern aufgedeckt. Verbesserungen, Ver- änderungen, Transformation sind notwendig – auch in der Welt des Kautschuks. Neue Mobilität, Klimawandel, Digitalisierung und die Entwicklung hin zur „grünen Wirtschaft“ gehören zu den treibenden Kräften, die die Zukunft der weltweiten Kautschukindustrie bestimmen werden. Wie alle Beteiligten zusammenarbeiten können und müssen, um einen echten Wandel hin zu mehr sozialverantwortli- cher Produktion sowie einem fairen, inklusiven und nachhaltigen Wachstum zu gewährleisten, ist im Rahmen der verschiedenen Referate und Diskussionen von allen Seiten beleuchtet worden. Die Herausforderungen, aus der Coronakrise heraus und wieder auf Kurs zu kommen, dürften viele Marktteilnehmer stärker beschäftigen als bisher ange- nommen, weil die Welt nach der Krise vermutlich doch nicht mehr ganz gleich funktionieren wird wie vorher. Das Arbeitsverhalten (Homeoffice, virtuelle Meetings statt Vor-Ort-Termine etc.) und die damit verbundene Mobilität bei- spielsweise wird nur langsam, wenn überhaupt, wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Gleichzeitig ist die Wirtschaft damit konfrontiert, dass die Konsu- menten immer höhere Ansprüche an die Nachhaltigkeit der Produkte, die sie erwerben und konsumieren möchten, stellen. Eine Verschnaufpause wegen des Virus gibt es nicht. Dazu kommt, dass die Politik laufend die Vorgaben für eine klimaschonende und möglichst CO2-neutrale Produktion verschärft. Auch hier ist keine Entspannung in Sicht. All das heißt unter dem Strich: Die Aufholjagd ist mit zusätzlichen Hürden versehen, die nicht umgegangen werden können. Die immer größer werdenden Anforderungen an faire, sozial verantwortliche und umweltschonende Produktion und Verarbeitung haben ihren Preis. Dieser darf nicht nur auf die Bauern und Arbeiter abgewälzt werden, sondern muss fair über die ganze Wertschöpfungskette inklusive der Konsumenten verteilt wer- den. Die tiefen Rohstoffpreise zeigen, dass dies oft noch nicht der Fall ist. Das ist problematisch, denn es führt – gerade in der Kautschukindustrie, in der mehr als 80 Prozent der globalen Produktion von Kleinbauern erbracht wird – dazu, dass Bauern auf andere, lukrativere Agrarrohstoffe ausweichen. Kautschuk wird zwar an den Börsen und Rohstoffmärkten gehandelt und die dort fixierten Preise sind maßgebend für den ganzen Kautschukmarkt. Da jedoch die meisten Produzenten und Verarbeitungsfabriken einen möglichst hohen Anteil ihrer Produktion im Rahmen von individuellen, langfristigen Lieferverträgen direkt an große Verbraucher verkaufen, wird ein viel zu kleiner Anteil am Gesamt- volumen preisbeeinflussend an den Rohstoffmärkten gehandelt. Weil nicht die gesamte Angebots- und Nachfragesituation auf die Preise wirkt, resultieren da- raus verfälschte und oft zu tiefe Kautschukpreise für die Bauern und Produzenten. Die mit dem Klimawandel einhergehenden Auswirkungen auf die Kautschukin- dustrie gehen weit über die gesellschaftlichen Forderungen nach größtmögli- cher Umweltverträglichkeit hinaus. Die Produktion von Kautschuk, welche die Basis der gesamten Kautschukindustrie bildet, ist direkt vom Klimawandel betroffen. Angefangen von den Veränderungen der klimatischen Verhältnisse 16 per se an einem Ort – gestern noch ideal, morgen vielleicht nicht mehr – über deutlich längere Trockenzeiten mit höheren Temperaturen bis hin zu viel inten- siveren Unwetterphasen sind je nach Region Kautschukproduzenten gefordert wie nie zuvor. Das Spektrum der Lösungsansätze und Herangehensweisen für diese Herausforderungen ist vielseitig. Eine wichtige Bedeutung kommt dabei der Agroforstwirtschaft zu, in deren Mittelpunkt die Kombination von agrar- und forstwirtschaftlicher Produktion steht. Auf demselben Land wird die Produktion von Kautschuk ergänzt durch die Produktion von Kautschukholz und wo sinnvoll zusätzlich durch den Anbau eines weiteren landwirtschaftlichen Produkts (z. B. Bananen oder Papaya). Ebenfalls empfehlenswert, sobald Kautschukplantagen ein gewisses Alter haben, ist die Nutztierhaltung auf demselben Land. Die sys- tematische Agroforstwirtschaft führt einerseits zu vielseitigen, robusten und resistenten Pflanzen- und Forstplantagen, welche durch eine erweiterte Schat- tengebung zu lokal tieferen Temperaturen und höherer Luftfeuchtigkeit führen. Andererseits verbessert die breitere Produktionspalette die Einkommenssituati- on des Bauern und Produzenten respektive reduziert sein Risiko, nur von einem Rohstoff abhängig zu sein. Die Verantwortung und Aufgabe der Kautschukproduktion gegenüber industri- ellen Verbrauchern und Konsumenten (Auto- und Reifenindustrie, Gesundheits- wesen etc.) ist enorm. Ohne Zweifel muss diese Aufgabe unter Einbezug und Berücksichtigung der zunehmenden Herausforderungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit, Klimawandel, Digitalisierung und Globalisierung erfüllt werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Grund- und Kernaufgabe, nämlich die jährlich um drei bis fünf Prozent wachsende Kautschuknachfrage (derzeit knapp 30 Millionen Tonnen), die es zu befriedigen gilt, für sich selbst schon eine immense Herausforderung darstellt. Nach dem Corona-Zusammen- bruch ist beim einsetzenden Wiederaufschwung sogar davon auszugehen, dass die abzudeckende Nachfrage kurzfristig um mehr als zehn Prozent höher sein wird als im langjährigen Durchschnitt. Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass die Kautschukindustrie mit ihren Rohstoffen einerseits und ihren Industrie- und Konsumerprodukten andererseits wie kaum eine andere Industrie mit der Gesellschaft und der Wirtschaft vernetzt ist. Der WRS 2021 hat gezeigt, dass sich die Kautschukindustrie der Verantwortung, die mit dieser zentralen Rolle einhergeht, nicht nur bewusst ist, sondern auch jede verfüg- bare Möglichkeit nutzt, dieser Verantwortung auch in Zukunft gerecht zu werden.